Ein kleines großes Update

So, nachdem ich das letzte Mal im November etwas geschrieben habe, dachte ich mir, dass es doch wieder mal an der Zeit wäre, ein bisschen zu berichten:
Es ist seit 1-2 Wochen nicht mehr kalt hier, die Sonne scheint und wir haben Plusgrade – langsam geht es bergauf mit den Temperaturen.
Ansonsten ist eigentlich alles super.
Silvester haben wir in Moskau verbracht mit ein paar kolumbianischen Freunden, die wir sehr oft treffen und einem Freund namens Jesse, der aus Kenia kommt und mittlerweile auch ein sehr guter Freund geworden ist.
Seit dem sind jetzt auch schon wieder mehrere Monate vergangen und die Zeit scheint dahin zu fliegen, was uns langsam etwas Angst macht, weil wir uns einerseits sehr wohl fühlen hier und das andererseits heißt, dass man sich langsam mal für Unis bewerben sollte oder zumindest mal wissen sollte, wo man hin will und was man studieren möchte.
Ich für meinen Teil habe mich jetzt bei 5 Unis in Schottland beworben – Architektur soll es sein.
Geklappt hat das leider nicht, sehr schade.
Ansonsten ist hier alles ziemlich verrückt und geht drunter und drüber, gelegentlich gibt es Stress innerhalb der Wohnung und andere zwischenmenschliche Schwierigkeiten außerhalb.
Mittlerweile können wir auch schon von uns behaupten, dass wir die Stadt ganz gut kennen, unsere Lieblingsorte haben und auch einen recht beständigen Kreis an Freunden haben, mit denen wir oft etwas unternehmen.
Man wird jedoch immer wieder konfrontiert mit Situationen, die man sich nie im Leben hätte vorstellen können oder von denen man dachte, dass einem sowas nicht mehr passieren würde, dass man sich gekonnt davon distanziert hätte – vor allem im zwischenmenschlichen Bereich wachsen wir momentan alle immer mehr und lernen uns auf eine ganz neue Art und Weise kennen.

Auf dem Zwischenseminar in Tallinn ist mir dann auch erstmals klar geworden, inwiefern sich mein Weltbild in den ersten sechs Monaten verändert hat. Meine Sicht auf Deutschland ist mittlerweile eine ganz andere und ich merke, dass meine Gefühle bezüglich meiner deutschen Heimat immer wieder schwanken: mal denke ich, dass ich gerne in Deutschland leben würde, aber die meiste Zeit denke ich doch, dass mich gar nichts dahin zieht und dass es noch so viele andere tolle Länder und Städte gibt, die es zu erkunden gilt.
Auch die deutsche Mentalität ist nicht so wirklich das, was mir wirklich zusagt. Durch unseren Austausch mit vielen Menschen vieler verschiedener Kulturen haben wir gelernt einerseits unser Selbstbild als Deutsche und unserer Kultur und Gesellschaft zu hinterfragen und andererseits auch Schlüsse und Vergleiche aus anderen Kulturen zu ziehen.
Anfangs dachten wir, dass wir Deutschen schon ziemlich verkorkst sind in mancher Hinsicht: Arbeit, Freizeit, Beziehungen, Freundschaften.
Andere Kulturen gehen teilweise viel offener damit um, viel herzlicher und ehrlicher.
Das ist meist jedoch nur auf den ersten Blick so, denn durch ihr Weltbild denken sie, dass ihr Weg mit Dingen umzugehen der Ideale ist. Das wirft jedoch allerlei andere – meist zwischenmenschliche – Probleme auf.
Wir konnten mittlerweile feststellen, dass unsere Art mit manchen Dingen umzugehen auf eine eigene Weise ehrlich und offen ist, die manch andere Kulturen vielleicht nicht ganz verstehen können.
Auch haben wir gelernt, ein wenig mehr Stolz zu empfinden.
Wir bekommen hier oft zu hören, wie toll Deutschland doch sei, was für tolle Dinge wir erfunden haben und wie sauber es bei uns ist und wie toll doch alles funktioniert.

Nach acht Monaten in Russland muss man einerseits sagen, dass hier auch nicht alles so schlecht und seltsam ist, wie man vorher dachte und andererseits, dass Deutschland doch viele Vorzüge hat und kleine Extras – ein wenig Luxus, an den man sich halt doch irgendwie gewöhnt hat und den man hin und wieder vermisst.
Vor allem als Veganer, haha.